Schnipsel I

Können wir bitte aufhören von rechten Ausrutschern und Einzelfällen zu reden? Können wir bitte diese notorische Anführungszeichnerei abstellen? Das ist nicht nur verharmlosend und blöd und oam-ironisch. Das schreibt nicht nur die Politik eben dieser Menschen fort. Es ist auch höchst blamabel und genant immer auf die selber Phrase zurückzugreifen. Wisst ihr, was ein rechter Ausrutscher ist? Wenn die Vorsitzende einer linken Oppositionspartei in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs sagt, dass jetzt nicht die Zeit für höhere Steuern, allenthalben Vermögens- und Erbschaftssteuern sei. Das ist ein rechter Ausrutscher, denn das ist rechte Wirtschaftspolitik. Ein rechtsextremer Ausrutscher ist es, wenn ein sozialdemokratischer Verteidigungsminister ohne Anlass Panzer an der einzigen historisch delikaten Grenze des Landes auffahren lässt um nahezulegen, dass diese im Zweifelsfall gegen Flüchtlinge eingesetzt werden (können). Wenn allerdings der Funktionär oder Mandatar einer rechtsextremen Partei mit nationalsozialistischem Hintergrundrauschen einem Neugeborenen, das er als migrantisch zu erkennen meint, die Zulässigkeit der Existenz oder Zugehörigkeit zum Staatsvolk abspricht*, dann ist das kein Ausrutscher und kein “uh, ah, hihi *Anführungszeichen mit den Händen in der Luft mach* Einzelfall”, dann muss man sagen: “FP-Politiker bekennt sich zur Vernichtungspolitik”, “n.n. wünscht Kind aus rassistischen Gründen den Tod” oder “FPÖ stellt Kontinuität des Nationalsozialismus auch 2019 zuverlässig her”. Es sind keine Einzelfälle, es hat System. Es sind keine Ausrutscher, das sind politische Landmarken. Und die Angst des Journalismus** die Ideologie, die seine Existenz bedroht, zu benennen ist so unglaublich neunzehnzweiunsdreißig, das ich sie präfaschistisch nennen möcht. Ich will mich auch gar nicht ausnehmen, auch ich haben von “Paintball” statt Neonaziwehrsport gesprochen. Der Vizekanzler hat halt die Anführungszeichen weggelassen; ich hab ihn also bloß noch zitiert.

*gilt auch für: Verwendung nationalsozialistischer Politik, nationalsozialistischer Sprache, nationalsozialistischer Symbole, nationalsozialistischer Ideologie, Antisemitismus, Rassismus, Homophobie, Transphobie, Sexismus, eigentliche alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Demokratieverachtung, Menschenrechtsvergessenheit, Allmachtsfantasien, Herrschaftsfantasien, Ausschlussfantasien, Vertreibungsfantasien, Bestrafungsfantasien, Be- und Verurteilung von Menschen für das was sie sind, nicht was sie tun

**gilt auch für: Linke, Kirchen, Gewerkschaften, Behörden, Schulen, Freund_innen